Lernzeit durch Teilzeit

Sehr gern beteilige ich mich an der Blogparade zum Thema Teilzeit von Melanie Belitza.

„Mehr Ideen als Zeit“ – diesen Spruch verwende ich sehr häufig, zumindest im Kopf. Meistens verbunden mit einem kleinen Seufzen. Weil das Leben so viele Chancen bietet, wunderbare Menschen und spannende Impulse – so viele, dass ich nicht umhin komme zu priorisieren. Genau darum geht es: die Frage, wie wir die uns zur Verfügung stehende Zeit aufteilen. Welche Aspekte verdienen einen „Teil“ unserer Zeit?

Seit meinem Wiedereinstieg nach der Elternzeit ist Teilzeit für mich so selbstverständlich, dass ich sie kaum noch als solche wahrnehme. Erst auf 400 Euro-Basis, später dann auf einer 75-Prozent-Stelle, wenn auch inzwischen mit einigen Überstunden. Dennoch freuen sich meine Teenager-Kinder (mal sehen, wie lange noch…), wenn ich vor 16 Uhr nach Hause komme. Nochmals recht einschneidend war der Beginn meines berufsbegleitenden Studiums im letzten Jahr. Denn hierfür habe ich mit meinem Arbeitgeber zwei Studientage pro Woche vereinbart. An diesen Tagen widme ich mich vollumfänglich dem Lernen.

Lebenslanges Lernen – auch das ist ein für mich selbstverständliches Konzept. Dies tatsächlich in den Alltag integrieren zu können ist ein Privileg, das ich sehr zu schätzen weiß. Es ist für mich verbunden mit:

  • Neugier und Neuland. „Die treibende Kraft der Innovation ist die Neugier des Individuums“, sagt Wolf Lotter. Diese Neugier in langfristiges Interesse, Finden des richtigen Weges und beharrliches Weitergehen umzuwandeln, macht Innovation und Veränderung möglich.
  • Freiheit und Freiraum. Zeit zum Lernen zu haben, das ist für mich Freiheit im Kopf. Ein zeitweises Lösen von rein organisationalen Themenstellungen, der berühmte „Blick über den Tellerrand“, das Gefühl der Selbstbestimmtheit und Selbstwirksamkeit.
  • Ortswechsel und Perspektivwechsel. Wo ich lerne, entscheide ich allein. Ob am heimischen Esstisch, mit meinem geliebten Mini-Laptop im Zug oder am See. Ich bin jederzeit für Anrufe erreichbar – und gleichzeitig ist mein Hirn auf Empfang: für Input ohne Ende.

Schaue ich auf mein Lebensmodell, so habe ich in Bezug auf Teilzeit gelernt:

  • Es ist eine Holschuld. Es liegt an uns selbst, uns damit auseinanderzusetzen, womit wir unsere Zeit verbringen wollen – und die entsprechenden Möglichkeiten auszuloten.
  • Ich will nicht mehr ohne. Mitte nächsten Jahres ist die Masterarbeit geschrieben – und in meinem Kopf rattert es schon jetzt, welche Lernmöglichkeit sich wohl anschließen ließe.

Ich beobachte, dass jungen Leuten häufig vorgeworfen wird, sie würden nicht mehr so „hart arbeiten“ wie vorherige Generationen. Für meine Tochter beispielsweise ist schon heute klar: Rund um die Uhr arbeiten will sie auf keinen Fall – schließlich wolle sie ja, sobald es irgend geht, ein eigenes Pferd haben, das versorgt werden muss. Früher hätte ich das wohl belächelt. Heute weiß ich, dass sie mit einem solchen Wunsch nicht allein ist. Ob Pferd, Kind, Weiterbildung oder Sabbatical – Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter langfristig binden möchten, sind gut beraten, mit verschiedenen Lebenswünschen und -entwürfen wohlwollend und kreativ umzugehen. Glücklicherweise scheint die Aufgeschlossenheit hierfür zu wachsen – und ich wünsche mir, dass dies nicht nur aus der Notwendigkeit des Fachkräftemangels heraus, sondern aus Wertschätzung geschieht.

Götz Werner sagte: „Wir trennen zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Die beiden Begriffe müsste man abschaffen. Es gibt nur einen zutreffenden, der heißt Lebenszeit.“ Und dieses Leben (inklusive der Ideenfindung, was wir damit anfangen wollen) findet in Vollzeit statt.

Photo by Jon Tyson on Unsplash

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