Sprechstunde bei Dipl. Psych. Google

Vorsicht beim Googeln – Es ist möglich, weit mehr zu erfahren, als man wissen wollte. Dies zeigt ein neuer Selbsttest in den USA.

„Auf der Suche nach Dornen findet man keine Blüten.“ (Karin Janke)

Hausmittel bei Husten, Wirksamkeit der Grippeimpfung, Symptome von Diabetes… Wer von uns hat nicht schon einmal Dr. Google aufgesucht, um schnelle Antworten auf medizinische Fragen zu bekommen. Der scheinbare Spezialist für alle Fachrichtungen ist uneingeschränkt verfügbar, wenn wir ihn brauchen und hat für alle Wehwehchen mehr als nur eine Antwort parat – ob diese uns dann wirklich weiterhelfen, sei mal dahingestellt.

Doch was, wenn wir Dr. Google erst gar nicht fragen müssen, ob uns etwas fehlt? Sondern er ungefragt auf uns zukommt? Eine Diagnose stellt und eine Behandlungsempfehlung ausspricht? Ein neues Angebot in den USA macht hellhörig. Menschen, die nach dem Wort „depression“ googeln, bekommen – in einer speziellen Infobox im oberen Bereich der Suchergebnisse – unmittelbar einen Selbsttest angeboten.

Mit neun Fragen zur Online-Diagnose

„Wie oft waren Sie in den vergangenen zwei Wochen lustlos?“ heißt es da. Außerdem kommen in dem sogenannten PHQ-9 Fragebogen, einem im klinischen Bereich häufig eingesetzten Screening-Instrument, Themen wie Versagensängste, Essstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten bis hin zu Suizidgedanken zur Sprache. Die auch in den USA am weitesten verbreitete Suchmaschine möchte mit diesem Test eigenen Angaben zufolge „mehr Menschen dazu bringen, sich Hilfe zu suchen.“

So wohlwollend dies klingt, es ist auf den ersten Blick befremdlich. Aber warum eigentlich? Auch auf einigen Webseiten in Deutschland, beispielsweise von Verbänden, werden ähnliche Tests angeboten. Zudem verdient die Krankheit zweifellos Aufmerksamkeit. Es ist wichtig, ihr den leider immernoch vorhandenen Tabu-Charakter zu nehmen und Betroffene frühzeitig zu sensibilisieren. Zu zeigen, dass man hiermit nicht alleine ist und es Hilfe gibt. Daher ist der Ansatz, die Menschen dort abzuholen, wo sie sich aufhalten und nach Informationen suchen, gut.

Andere Fragen bleiben offen

Aber rechtfertigt dies eine nahezu flächendeckende Diagnostik? Ist es sinnvoll, beispielsweise einem Schüler, der einfach nur für ein Referat nach Informationen sucht, mit existenziellen Fragestellungen zu verunsichern? Oder jemandem, der – wenn auch wiederholt – traurig ist, das Wort „Selbstmord“ unter die Nase zu reiben? Schon Kolumbus hat uns vor Augen geführt, dass man am Ende seiner Suche nicht zwangsläufig auf das stößt, was man zu finden hoffte.

Und entspricht es überhaupt der Aufgabe oder Kompetenz einer Internet-Suchmaschine, gezielt sensible Daten über die psychische Gesundheit seiner Nutzer zu erheben? Ich frage mich, wie wohl ein Psychotherapeut reagieren würde, wenn ein Patient die Praxis betritt mit den Worten: „Laut Google bin ich depressiv – ich wollte mich mal vorstellen.“

Und noch ein entscheidender Aspekt drängt sich förmlich auf: „Okay Google – was machst Du eigentlich mit meinen Daten?“ Angeblich wird das Ergebnis nicht gespeichert. Ob man sich darauf verlassen kann, darauf habe ich leider keine Antwort gefunden. Aber vielleicht habe ich einfach nicht gut genug gegoogelt.

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