Kann ein Roboter zum Freund werden?

Was macht einen Freund aus? Unter anderem, dass er in Krisensituationen für einen da ist. Über die Rolle von Robotern als heilende Helfer.

„Dance first. Think later.“ (Samuel Beckett)

Cooler Motivator

In der Kieler Kinderklinik wird seit Neuestem getanzt – und das auf innovative Weise. Denn wer den kleinen Patienten hier unter anderem den „Gangnam Style“ vortanzt, ist nicht etwa ein Arzt, Pfleger oder Therapeut. Nein, der Motivator ist nur 59 Zentimeter groß und 4,5 Kilo schwer: Zora, ein humanoider Roboter. Seine Aufgabe: die Physiotherapie zu unterstützen und den Kindern Freude zu bereiten. Als ich meinem neunjährigen Sohn davon erzählte, schlug mir spontane Begeisterung entgegen: „Cool! Können wir da mal hin?“ Nun ja, das hatte ich eigentlich nicht vor. Aber dieses aktuelle Beispiel zeigt doch eines sehr deutlich: Die skeptische Frage, ob hier nicht der „menschliche Faktor abgeschafft“ werde, stellt sich denen, die die Technik nutzen, scheinbar nicht. Offenheit und Entdeckergeist führen bei den Kindern dazu, sich zu bewegen und fasziniert den Anweisungen von Zora zu folgen – ganz nebenbei unterstützen sie damit ihre Genesung.

Kuscheliger Gesprächspartner

Ein Roboter, der Demenzkranken Gesellschaft leistet? Was für manche wie ein schlechter Witz klingen mag, ist in mehr als 50 deutschen Einrichtungen bereits erstaunlich erfolgreich. Der Roboter Paro ist als solcher nicht sofort zu erkennen, sondern kommt in Form einer täuschend echt aussehenden Robbe daher – und was für einer! Weißes, weiches Fell, große, dunkle Kulleraugen und ein zufriedenes Fiepen, sobald sie Nähe und Streicheleinheiten spürt. Es gibt kaum jemanden, der sich dem Charme dieses „Emotions-Roboters“ entziehen kann: Die Patienten streicheln ihn, sprechen mit ihm. Traurige Menschen schmunzeln, aufgebrachte beruhigen sich. Manche geben der Robbe einen individuellen Namen.

Keine Digitalskeptiker

Ist dies gesund, was hier passiert? Dass Menschen in ihrer Krankheitssituation in Kontakt mit Robotern kommen – und ihnen dies sogar gut tut? Warme Gefühle durch kühle Technik ausgelöst werden? Wäre das nicht die Aufgabe der betreuenden Pflegekräfte? Diese Fragen stellen sich unweigerlich. Nur interessanterweise nicht denen, die mit den Robotern tanzen oder sie liebevoll auf ihren Schoß setzen. Denn die Patienten, ob alt oder jung, sind in eben diesem Moment unvoreingenommen.

Ein Konflikt mit den Wertvorstellungen unserer Gesellschaft? Skepsis, Angst oder digitale Überforderung? Wohl kaum. In diesem Moment wird die Technik für die Patienten zum helfenden Freund. Selbstverständlich wird auch zukünftig wahre Zuwendung „menschlich“ bleiben – ohne freundliche, kompetente und sorgsame Ärzte, Therapeuten und Pflegekräfte kann keine Behandlung gelingen. Und doch können uns diese Pflegeroboter zeigen, dass es nicht immer nötig ist, der Digitalisierung mit Sorge zu begegnen. Sondern vielleicht einfach mal zu tanzen.

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